Familienangehörige als Pfleger

Geschrieben von Anna Engberg Anna Engberg
Pflege Zuhause
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Die Tendenz bei der Versorgung älterer Menschen geht heute zur häuslichen Pflege: wer zuhause gepflegt wird, bleibt im Alter möglichst lange selbstständig und im gewohnten Lebensumfeld. Agieren Familienangehörige als Pfleger, gibt es jedoch viel zu beachten – von den finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten über die Burnout-Prävention bis zur Freistellung vom Arbeitgeber. Wir klären auf.

Familienangehörige als Pfleger

Familienangehörige spielen in Deutschland eine wichtige, teils entscheidende Rolle bei der Versorgung von pflegebedürftigen, älteren Menschen im eigenen Zuhause. Wer als Pfleger für die eigenen Eltern oder Verwandte aktiv wird, steht damit in der Regel vor großen Herausforderungen – sei es beim Balanceakt zwischen Job und Pflege, hinsichtlich der Finanzierung wie auch der emotionalen Belastung durch die neue Pflegeaufgabe.

Dieser Artikel gibt einen groben Überblick über die verschiedenen Aspekte, über die Familienangehörige nachdenken sollten, bevor sie als Pfleger einspringen – und er vermittelt nützliche Informationen und Anlaufstellen für diejenigen, die bereits aktiv in der Familie pflegen.

Finanzielle Förderungen für die familiäre Pflege

Es gibt eine ganze Reihe von Fördermöglichkeiten, die es Familienangehörigen in Deutschland erlauben, die Pflege ihrer Angehörigen finanziell besser bewältigen zu können. Dazu gehört in erster Linie das Pflegegeld, aber auch die Leistungen der Verhinderungspflege, Kurzzeitpflege und der Ausgleich bei der Rentenversicherung können eine wichtige Unterstützung sein.

Für alle diese Leistungen ist die Pflegekasse zuständig. Auch dann, wenn eine teilstationäre Tages- oder Nachtpflege notwendig wird, übernimmt die Pflegekasse die Kosten für die pflegerische Versorgung und den Fahrdienst in Abhängigkeit vom Pflegegrad und bis zu einer bestimmten Summe.

Leistungen der Pflegekasse

Das Pflegegeld

ist eine Sozialleistung der gesetzlichen und privaten Pflegeversicherung. Es wird direkt an die pflegebedürftige Person für die Versorgung im eigenen Zuhause ausgezahlt und kann genutzt werden, um die Pflegekosten zu decken, die Pflege zu organisieren und durchzuführen oder den Aufwand von pflegenden Familienangehörigen zu würdigen. Die Höhe des Pflegegeldes staffelt sich nach den fünf Pflegegraden und liegt zwischen 332 Euro (Pflegegrad 2) und 947 Euro (Pflegegrad 5) pro Monat.

Das Pflegeunterstützungsgeld

wird während der „kurzzeitigen Arbeitsverhinderung“ für einen Zeitraum von bis zu zehn Tagen von der Pflegekasse direkt an den pflegenden Familienangehörigen ausgezahlt.

Die Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege

Diese Leistungen helfen, wenn die pflegende Person eine Auszeit benötigt, sei es, um Urlaub zu nehmen, sich zu erholen oder auf Grund eigener Krankheit. Sie können auch zur Mitfinanzierung einer 24-Stunden-Pflegekraft genutzt werden.

Der Ausgleich bei der Rentenversicherung

Wer Angehörige mindestens 10 Stunden an mindestens zwei Tagen pro Woche in ihrem Zuhause betreut und pflegt, hat bei der Pflegekasse Anspruch auf Rentenversicherungsbeiträge. Dadurch haben Familienangehörige, die sich als Pfleger engagieren, im Alter keine finanziellen Nachteile.

Pflegesachleistungen

sind eine weitere Möglichkeit, um z.B. ambulante Pflegedienste, Haushaltshilfe und häusliche Betreuung zu finanzieren. Pflegesachleistungen übernimmt die Pflegekasse in Abhängigkeit von tatsächlichen Aufwendungen.

Belastungen vorbeugen: Pflegekurse & Co.

Dauerhaft pflegende Familienangehörige pflegen auf Grund der emotionalen Verbindung oftmals über die Grenze ihrer Belastbarkeit hinaus. Die eigenen Bedürfnisse werden dabei häufig vergessen und nötige Erholungspausen nicht ausreichend genommen. Über Jahre führt das zu einem Erschöpfungszustand, in Einzelfällen auch zum Burnout.

Besonders belastend kann die Situation für Familienangehörige als Pfleger sein, wenn geistige Einschränkungen des Pflegebedürftigen hinzukommen, wie beispielsweise Demenz. Dann treten während der häuslichen Pflege mitunter konflikthafte Verhaltensmuster aus der Vergangenheit auf und belasten die Pflegesituation.

Glücklicherweise gibt es etliche Möglichkeiten zur Prävention und Entlastung von Familienangehörigen als Pflegern:

  • Pflegekurse
    Pflegekurse sind eine gute Vorbereitung für Angehörige und machen Sinn für all diejenigen, die von häuslicher Pflege bislang nur wenig Ahnung haben. Die Kurse vermitteln Angehörigen praktische Pflegetechniken, den Umgang mit speziellen Pflegesituationen und Hilfsmitteln sowie das erforderliche Wissen zu Körperpflege, Mobilisation, Ernährung, dem Umgang mit Demenz und zum eigenen Stressmanagement. Rechtliches und die Organisation der Pflege sind ebenfalls Thema. Viele Angehörige schätzen an Pflegekursen den Austausch mit anderen Pflegenden und das Gemeinschaftsgefühl. Krankenkassen und Wohlfahrtsverbände bieten Pflegekurse in der Regel kostenlos an.
  • Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen
    Für die psychische Gesundheit pflegender Angehörige sind nicht nur regelmäßige Auszeiten wichtig, sondern bei Bedarf auch professionelle Hilfe. Psychosoziale Unterstützung findet man in Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen. Eine gute Anlaufstelle ich die Beratungsstelle für selbstständiges Leben im Alter, die es in vielen deutschen Städten gibt. Die Berater machen auch Hausbesuche und leisten erste Hilfestellung, um eine individuelle Lösung zu finden.
  • Tages- und Nachtpflege
    Sie entlastet, indem der Pflegebedürftige stundenweise durch professionelle Pflegekräfte betreut wird.

Berufstätigkeit und Pflege kombinieren: So klappt’s

Doch wie schafft man überhaupt genügend zeitliche Ressourcen, um die Pflege eines Angehörigen übernehmen zu können? Immerhin geht der überwiegende Teil der Bevölkerung einer Arbeit in Vollzeit nach. Für die Kombination aus Berufstätigkeit und Pflege gibt es – glücklicherweise – eine Reihe von Optionen. Zum einen können Arbeitgeber den Pflegenden durch Flexibilität beim Arbeitszeitmodell entgegenkommen. Zum anderen gibt es gesetzliche Regelungen, die hier Unterstützung bieten. Aber der Reihe nach:

  • Flexible Arbeitszeitmodelle
    Wer die Möglichkeit hat, vorübergehend in Teilzeit zu arbeiten oder eine bestehende Home-Office-Regelung zu nutzen, der kann Pflege und Beruf in der Regel besser koordinieren. Viele Arbeitgeber sind bereit, eine flexible, individuelle Lösung zu vereinbaren – ein frühzeitiges Gespräch mit dem Arbeitgeber lohnt sich daher fast immer.
  • Gesetzliche Regelungen
    Mit dem Pflegezeitgesetz und dem Familienpflegezeitgesetz gibt es zwei gesetzliche Optionen für Arbeitnehmer, um sich teilweise oder vollständig für die familiäre Pflege von der Arbeit freistellen zu lassen.

Familiäre Pflege: Herausforderung – und Chance

Die Pflege von Familienangehörigen ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die mit vielen Herausforderungen verbunden ist. Sie ist zugleich aber auch eine Chance zur vertieften emotionalen Beziehung zwischen dem Pflegebedürftigen und dem Familienangehörigen, der pflegt. Durch die Nutzung von Förderungen, das Absolvieren von Pflegekursen und Selbsthilfeangeboten und die flexible Kombination von Beruf und Pflege können pflegende Angehörige die Pflege besser organisieren und so in Zukunft besser entlastet werden. Wer sich frühzeitig informiert und Unterstützung in Anspruch nimmt, kann die Pflege erfolgreich gestalten und muss keine Abstriche bei der eigenen Gesundheit machen.

Vorteile der familiären Pflege

  • Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit
  • Pflege innerhalb der Familie ist für viele emotional erfüllend
  • Wohnen im vertrauten Zuhause – Umzug im Alter oft unerwünscht
  • Freiheit
  • geringere Kosten als im Alten- oder Pflegeheim

Nachteile der familiären Pflege

  • finanzielle Belastung
  • Pflegehilfsmittel nicht immer sofort verfügbar
  • Risiko für falsche Versorgung des Pflegebedürftigen durch Unwissen und fehlende medizinische Fachkenntnis der Angehörigen
  • körperliche Belastungen wie Heben und Stützen
  • psychische Auswirkungen auf den Pflegenden wie Angst, Sorge, Überforderung, Ekel sowie im Extremfall Schlafstörungen, Isolation und Burnout
  • Zeitdruck, Verzicht und Einschränkungen
Geschrieben von:
Anna Engberg

Anna Engberg

Freie Journalistin

Anna Engberg ist freie Journalistin im Rhein-Main-Gebiet. Seit 2011 schreibt sie über vielfältige Themen in den Ressorts Gesundheit und Gesellschaft, New Work, Nachhaltigkeit, Lifestyle und digitale Trends, Food & Travel.

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