Die Tendenz bei der Versorgung älterer Menschen geht heute zur häuslichen Pflege: wer zuhause gepflegt wird, bleibt im Alter möglichst lange selbstständig und im gewohnten Lebensumfeld. Agieren Familienangehörige als Pfleger, gibt es jedoch viel zu beachten – von den finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten über die Burnout-Prävention bis zur Freistellung vom Arbeitgeber. Wir klären auf.
Familienangehörige spielen in Deutschland eine wichtige, teils entscheidende Rolle bei der Versorgung von pflegebedürftigen, älteren Menschen im eigenen Zuhause. Wer als Pfleger für die eigenen Eltern oder Verwandte aktiv wird, steht damit in der Regel vor großen Herausforderungen – sei es beim Balanceakt zwischen Job und Pflege, hinsichtlich der Finanzierung wie auch der emotionalen Belastung durch die neue Pflegeaufgabe.
Dieser Artikel gibt einen groben Überblick über die verschiedenen Aspekte, über die Familienangehörige nachdenken sollten, bevor sie als Pfleger einspringen – und er vermittelt nützliche Informationen und Anlaufstellen für diejenigen, die bereits aktiv in der Familie pflegen.
Finanzielle Förderungen für die familiäre Pflege
Es gibt eine ganze Reihe von Fördermöglichkeiten, die es Familienangehörigen in Deutschland erlauben, die Pflege ihrer Angehörigen finanziell besser bewältigen zu können. Dazu gehört in erster Linie das Pflegegeld, aber auch die Leistungen der Verhinderungspflege, Kurzzeitpflege und der Ausgleich bei der Rentenversicherung können eine wichtige Unterstützung sein.
Für alle diese Leistungen ist die Pflegekasse zuständig. Auch dann, wenn eine teilstationäre Tages- oder Nachtpflege notwendig wird, übernimmt die Pflegekasse die Kosten für die pflegerische Versorgung und den Fahrdienst in Abhängigkeit vom Pflegegrad und bis zu einer bestimmten Summe.
Leistungen der Pflegekasse
Das Pflegegeld
ist eine Sozialleistung der gesetzlichen und privaten Pflegeversicherung. Es wird direkt an die pflegebedürftige Person für die Versorgung im eigenen Zuhause ausgezahlt und kann genutzt werden, um die Pflegekosten zu decken, die Pflege zu organisieren und durchzuführen oder den Aufwand von pflegenden Familienangehörigen zu würdigen. Die Höhe des Pflegegeldes staffelt sich nach den fünf Pflegegraden und liegt zwischen 332 Euro (Pflegegrad 2) und 947 Euro (Pflegegrad 5) pro Monat.
Das Pflegeunterstützungsgeld
wird während der „kurzzeitigen Arbeitsverhinderung“ für einen Zeitraum von bis zu zehn Tagen von der Pflegekasse direkt an den pflegenden Familienangehörigen ausgezahlt.
Die Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege
Diese Leistungen helfen, wenn die pflegende Person eine Auszeit benötigt, sei es, um Urlaub zu nehmen, sich zu erholen oder auf Grund eigener Krankheit. Sie können auch zur Mitfinanzierung einer 24-Stunden-Pflegekraft genutzt werden.
Der Ausgleich bei der Rentenversicherung
Wer Angehörige mindestens 10 Stunden an mindestens zwei Tagen pro Woche in ihrem Zuhause betreut und pflegt, hat bei der Pflegekasse Anspruch auf Rentenversicherungsbeiträge. Dadurch haben Familienangehörige, die sich als Pfleger engagieren, im Alter keine finanziellen Nachteile.
Pflegesachleistungen
sind eine weitere Möglichkeit, um z.B. ambulante Pflegedienste, Haushaltshilfe und häusliche Betreuung zu finanzieren. Pflegesachleistungen übernimmt die Pflegekasse in Abhängigkeit von tatsächlichen Aufwendungen.
Belastungen vorbeugen: Pflegekurse & Co.
Dauerhaft pflegende Familienangehörige pflegen auf Grund der emotionalen Verbindung oftmals über die Grenze ihrer Belastbarkeit hinaus. Die eigenen Bedürfnisse werden dabei häufig vergessen und nötige Erholungspausen nicht ausreichend genommen. Über Jahre führt das zu einem Erschöpfungszustand, in Einzelfällen auch zum Burnout.
Besonders belastend kann die Situation für Familienangehörige als Pfleger sein, wenn geistige Einschränkungen des Pflegebedürftigen hinzukommen, wie beispielsweise Demenz. Dann treten während der häuslichen Pflege mitunter konflikthafte Verhaltensmuster aus der Vergangenheit auf und belasten die Pflegesituation.
Glücklicherweise gibt es etliche Möglichkeiten zur Prävention und Entlastung von Familienangehörigen als Pflegern:
Pflegekurse Pflegekurse sind eine gute Vorbereitung für Angehörige und machen Sinn für all diejenigen, die von häuslicher Pflege bislang nur wenig Ahnung haben. Die Kurse vermitteln Angehörigen praktische Pflegetechniken, den Umgang mit speziellen Pflegesituationen und Hilfsmitteln sowie das erforderliche Wissen zu Körperpflege, Mobilisation, Ernährung, dem Umgang mit Demenz und zum eigenen Stressmanagement. Rechtliches und die Organisation der Pflege sind ebenfalls Thema. Viele Angehörige schätzen an Pflegekursen den Austausch mit anderen Pflegenden und das Gemeinschaftsgefühl. Krankenkassen und Wohlfahrtsverbände bieten Pflegekurse in der Regel kostenlos an.
Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen Für die psychische Gesundheit pflegender Angehörige sind nicht nur regelmäßige Auszeiten wichtig, sondern bei Bedarf auch professionelle Hilfe. Psychosoziale Unterstützung findet man in Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen. Eine gute Anlaufstelle ich die Beratungsstelle für selbstständiges Leben im Alter, die es in vielen deutschen Städten gibt. Die Berater machen auch Hausbesuche und leisten erste Hilfestellung, um eine individuelle Lösung zu finden.
Tages- und Nachtpflege Sie entlastet, indem der Pflegebedürftige stundenweise durch professionelle Pflegekräfte betreut wird.
Berufstätigkeit und Pflege kombinieren: So klappt’s
Doch wie schafft man überhaupt genügend zeitliche Ressourcen, um die Pflege eines Angehörigen übernehmen zu können? Immerhin geht der überwiegende Teil der Bevölkerung einer Arbeit in Vollzeit nach. Für die Kombination aus Berufstätigkeit und Pflege gibt es – glücklicherweise – eine Reihe von Optionen. Zum einen können Arbeitgeber den Pflegenden durch Flexibilität beim Arbeitszeitmodell entgegenkommen. Zum anderen gibt es gesetzliche Regelungen, die hier Unterstützung bieten. Aber der Reihe nach:
Flexible Arbeitszeitmodelle Wer die Möglichkeit hat, vorübergehend in Teilzeit zu arbeiten oder eine bestehende Home-Office-Regelung zu nutzen, der kann Pflege und Beruf in der Regel besser koordinieren. Viele Arbeitgeber sind bereit, eine flexible, individuelle Lösung zu vereinbaren – ein frühzeitiges Gespräch mit dem Arbeitgeber lohnt sich daher fast immer.
Gesetzliche Regelungen Mit dem Pflegezeitgesetz und dem Familienpflegezeitgesetz gibt es zwei gesetzliche Optionen für Arbeitnehmer, um sich teilweise oder vollständig für die familiäre Pflege von der Arbeit freistellen zu lassen.
Die Pflegezeit
reduziert die Arbeitszeit auf null, ist jedoch auf maximal 6 Monate begrenzt. Wer Pflegezeit nimmt, hat Kündigungsschutz und kann im Notfall ein zinsloses Darlehen in Anspruch nehmen, um Einkommenseinbußen zu überbrücken. Die Pflegezeit wird beim Arbeitgeber mit Nachweis der Pflegesituation und des Pflegegrades beantragt und in der Regel dann genommen, wenn die Situation sehr akut ist.
Die Familienpflegezeit
setzt voraus, dass der Pflegende noch mindestens 15 Stunden pro Woche arbeitet und den Pflegebedürftigen in dessen häuslicher Umgebung pflegt.
Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege
ermöglichen es der Hauptpflegeperson, sich stundenweise vertreten zu lassen – wenn sie beispielsweise krank wird, Urlaub zur Erholung braucht oder selbst wichtige Termine wahrnehmen muss.
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung
nennt sich die Möglichkeit der Freistellung von der angestellten Arbeit für bis zu zehn Tage, wenn die Pflegesituation ganz neu ist. Diese Zeit können die Angehörigen für die kurzfristige Organisation der Pflege nutzen. Während dieser Zeit haben sie Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld.
24-Stunden-Pflege
Wenn die eigene Zeit als Familienangehöriger für die Pflege trotz allem nicht ausreicht, kann die häusliche Pflege auch mit einer 24-Stunden-Pflegekraft ergänzt werden. Bei dieser Pflegeform, die nicht von Kranken- und Pflegekasse übernommen wird und in Eigenleistung finanziert werden muss, zieht eine Pflegekraft – sehr häufig Frauen aus Osteuropa – in das Zuhause des Pflegebedürftigen ein und versorgt ihn tagsüber und nachts, wenn der Familienangehörige nicht vor Ort sein kann.
Familiäre Pflege: Herausforderung – und Chance
Die Pflege von Familienangehörigen ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die mit vielen Herausforderungen verbunden ist. Sie ist zugleich aber auch eine Chance zur vertieften emotionalen Beziehung zwischen dem Pflegebedürftigen und dem Familienangehörigen, der pflegt. Durch die Nutzung von Förderungen, das Absolvieren von Pflegekursen und Selbsthilfeangeboten und die flexible Kombination von Beruf und Pflege können pflegende Angehörige die Pflege besser organisieren und so in Zukunft besser entlastet werden. Wer sich frühzeitig informiert und Unterstützung in Anspruch nimmt, kann die Pflege erfolgreich gestalten und muss keine Abstriche bei der eigenen Gesundheit machen.
Vorteile der familiären Pflege
Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit
Pflege innerhalb der Familie ist für viele emotional erfüllend
Wohnen im vertrauten Zuhause – Umzug im Alter oft unerwünscht
Freiheit
geringere Kosten als im Alten- oder Pflegeheim
Nachteile der familiären Pflege
finanzielle Belastung
Pflegehilfsmittel nicht immer sofort verfügbar
Risiko für falsche Versorgung des Pflegebedürftigen durch Unwissen und fehlende medizinische Fachkenntnis der Angehörigen
körperliche Belastungen wie Heben und Stützen
psychische Auswirkungen auf den Pflegenden wie Angst, Sorge, Überforderung, Ekel sowie im Extremfall Schlafstörungen, Isolation und Burnout
Anna Engberg ist freie Journalistin im Rhein-Main-Gebiet. Seit 2011 schreibt sie über vielfältige Themen in den Ressorts Gesundheit und Gesellschaft, New Work, Nachhaltigkeit, Lifestyle und digitale Trends, Food & Travel.
Ähnliche Artikel aus dem Ratgeber
Pflegekraft Zuhause oder Pflegeheim: Vor- und Nachteile
Die Entscheidung zwischen der Betreuung durch eine Pflegekraft zuhause oder einem…
Leistungen für pflegende Angehörige
Pflegende Angehörige spielen eine entscheidende Rolle bei der Betreuung von…
Menschen mit Demenz per GPS orten
Demenz ist eine Erkrankung, die das Gedächtnis, die Orientierung und die kognitiven…