Mobil im Urlaub – Reisen mit Elektrorollstuhl

Geschrieben von Dirk Staudinger Dirk Staudinger
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Die Neugierde gehört zur Natur des Menschen. Auch Personen mit eingeschränkter Mobilität sehnen sich nach Abenteuern. Reisen symbolisiert oftmals Freiheit und Erholung und lässt uns unbekannte Orte und Kulturen entdecken. Selbstverständlich also, dass niemand darauf verzichten möchte. Auf Reisen zu sein bedeutet für viele Mobilitätsbeeinträchtigte, eine Dazugehörigkeit zu erfahren und nicht das Gefühl von Ausgrenzung zu empfinden. Immer mehr Rollstuhlfahrer verreisen regelmäßig, was dazu führt, dass Städte sich mehr Gedanken bezüglich der eigenen Barrierefreiheit machen. Grundsätzlich gilt jedoch: Je genauer die Planung vor der Reise, desto weniger Gefahren lauern im Urlaub.

Mobil im Urlaub – Reisen mit Elektrorollstuhl

Individual- oder Pauschalreise?

Bevor es überhaupt losgeht, muss man sich grundsätzlich mit einigen Fragen auseinandersetzen.

Was wünsche ich mir in meinem Urlaub?
Verreise ich alleine, mit Begleitperson oder in der Gruppe?
Wohin soll die Reise gehen? Wie können meine besonderen Bedürfnisse berücksichtigt werden?

Die individuelle Detailplanung einer Reise ist nicht immer einfach, vor allem wenn man auf wichtige Aspekte bei den Fortbewegungsmitteln, der Unterkunft oder bei den Aktivitäten achten muss. Individuell buchen bedeutet jedoch auch, mehr Freiheiten zu haben und gleichzeitig noch Geld sparen zu können.

Für alle, die sich gerne helfen lassen, gibt es immer mehr Angebote an Pauschalreisen für Menschen mit Einschränkungen. Diese Reiseveranstalter helfen kostenlos dabei, den passenden Urlaub zu finden. Mit allen wichtigen Infos zur individuellen Situation der Menschen, wird vom Veranstalter viel Zeit in die Recherche und Planung gesteckt. Die Mitarbeiter überprüfen alle angebotenen Unterkünfte auf Barrierefreiheit.

Sicher auf Reisen - welches Transportmittel wähle ich aus?

Beim Reisen mit dem Elektrorollstuhl gibt es oftmals große Hürden.

Für Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, stehen die gleichen Transportmittel zur Verfügung, wie auch für gesunde Menschen. Trotzdem lohnt es sich, die einzelnen Möglichkeiten genauer zu betrachten.

Einige bekommen beim bloßen Anblick eines Flugzeuges bereits Fernweh. Kein Transportmittel wird für das Verreisen so häufig genutzt und trotzdem gibt es noch einige Hürden im Umgang mit mobilitätseingeschränkten Menschen. Es beginnt mit dem Kauf eines Tickets. Hier müssen bereits erste wichtige Angaben zur Person gemacht werden. Im Anschluss an die Buchung muss die Behinderung, sowieso die Hilfsmittel, die mitgeführt werden müssen, über ein Formular angemeldet werden. Hierbei müssen Größen- und Gewichtsangaben der jeweiligen Hilfsmittel angegeben werden, genauso wie Batterietypen bei Elektrorollstühlen. Falls diese zu den Nassbatterien gehören, dürfen Airlines die Mitnahme auf Grund von Sicherheitsrisiken ablehnen. Im Falle, dass man einen Mehrstoppflug nutzt, muss die Anmeldung für jeden Flughafen einzeln erfolgen.

Viele Flughäfen und Flugbetreiber bieten einen kostenlosen Hilfeservice an, welcher beim Check-In, bei der Kofferabgabe und beim Einstieg in die Maschine assistiert. Wichtig ist es, mindestens 48 Stunden vor Abflug mit der jeweiligen Airline telefonisch Kontakt aufzunehmen. So bekommen die Mitarbeiter einen genaueren Überblick über die Hilfsmittel, die benötigt werden und die erwarteten Anforderungen. Was viele Menschen gar nicht wissen, ist, dass man als Rollstuhlfahrer von keiner Airline in der EU abgelehnt werden darf. Voraussetzung hierfür ist, dass die Sicherheit aller Menschen weder am Flughafen noch im Flugzeug gefährdet ist. Je nach Art der Einschränkungen dürfen gewisse Personen jedoch nur in Begleitung fliegen. Viele Fluggesellschaften bieten einen Preisnachlass für Begleitpersonen an. Für all diejenigen, die selbst noch die Sauerstoffmaske im Notfall aufsetzen, die Schwimmweste eigenständig anlegen und einen Toilettengang alleine meistern können, reicht der Hilfeservice am jeweiligen Flughafen. Man sollte in jedem Fall pünktlich am Abflugtag erscheinen, da man als mobilitätseingeschränkte Person zuerst an Board gebracht wird. Bei der Ankunft ist es übrigens umgekehrt, hier darf man als letzter Gast das Flugzeug verlassen. Eines der größten Probleme im Flugzeug stellt die Toilettensituation dar. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es keine barrierefreien Toiletten in Flugzeugen. Die Mitnahme des Boardrollis ist nicht möglich, da die Kabine hierfür zu schmal ist. Somit ist es nur möglich die Toilette zu nutzen, wenn man von einer Begleitperson oder einem netten Passagier umgesetzt wird. Im Falle, dass das nicht möglich ist, muss man zumindest für die längeren Flüge auf Inkontinenzmittel zurückgreifen.

Reist man mit dem Elektrorollstuhl, können einige Funktionen die Reise erleichtern. Es gibt zum Beispiel faltbare Modelle. Mit einem Gewicht von unter 30 Kilogramm sind diese vergleichsweise leicht zu transportieren. Akku und Ersatzakku sind normalerweise geeignet für die Mitnahme im Flugzeug und erlauben es Nutzern, weitere Strecken zurückzulegen.

Eine Alternative zum Fliegen könnte das Kreuzfahrtschiff sein. Auch hier bemühen sich Betreiber, ihre Schiffe barrierefrei zu gestalten und alle Menschen an Board willkommen zu heißen. Leider gibt es hierfür noch keine einheitlichen Regelungen, aber allgemein lässt sich sagen, dass größere Häfen eher auf die Bedürfnisse von Menschen mit Handicap ausgerichtet sind. Rollstuhlgerechte Kabinen sind mittlerweile in fast allen Preisklassen verfügbar und auch an Board kommen auf einen Rollstuhl angewiesene Menschen immer besser zurecht. Einige Kreuzfahrtanbieter haben spezielle Hubvorrichtungen einbauen lassen, damit immobile Menschen auch Örtlichkeiten wie z.B. die Poolanlage nutzen können. Bei den meisten Landausflügen gibt es allerdings große Einschränkungen in Bezug auf die Barrierefreiheit. Dies ist abhängig vom jeweiligen Urlaubsort.

Für nahe Urlaubsziele empfiehlt es sich selbstverständlich, den Zug zu nutzen. Doch obwohl viele mobilitätseingeschränkte Menschen auf den Nah- und Fernverkehr angewiesen sind, stehen sie auch hier oftmals vor großen Herausforderungen. Wie auch beim Fliegen, sollte die Fahrt vorher telefonisch oder per Formular angemeldet werden. Mancherorts verweisen Schachbrettmuster am Boden auf den idealen Einstiegsort für Rollstuhlfahrer. Oftmals fehlen die verständlichen Markierungen jedoch, somit sind hilfsbedürftige Personen auf die Unterstützung des Zugpersonals angewiesen. Vermeiden lässt sich das nur, wenn man den kostenlosen Hilfeservice mindestens 24 Stunden vor Abfahrt bei der Deutschen Bahn bucht. Ein weiterer Vorteil ist, dass Begleitpersonen bei bestimmten Merkzeichen kostenlos mitfahren dürfen. Von Spontanreisen mit der Bahn wird abgeraten, da somit keine Hilfe beim Ein- und Aussteigen garantiert werden kann und es Probleme auf Grund der nicht angemeldeten Hilfsmittel geben könnte.

Barrierefreiheit & Nachhaltigkeit

Die Art und Weise, wie man verreist, ist entscheidend für unseren ökologischen Einfluss. Immer mehr Menschen bedenken dies bei ihrer Reiseplanung. Bei Pauschalreisen werden die Mitarbeiter z.B. fast ausschließlich regional angestellt. In der Regel reisen Menschen mit Behinderung seltener und kürzer, bleiben oftmals am selben Ort, um logistische Probleme zu umgehen. Somit ist die Klimabilanz bei eingeschränkten Menschen im Urlaub besser. In Entwicklungs- und Schwellenländern sind die meisten Hotels, Verkehrsmittel und Attraktionen nicht barrierefrei, allerdings zeigen die Menschen hier meistens eine große Bereitschaft dazuzulernen und reagieren schnell auf mögliche Probleme. Die flache Bauweise in vielen Ländern hilft dabei, schnell handeln zu können. Kann der Gast mit Rollstuhl nicht eigenständig in sein Zimmer fahren, wird mal eben schnell eine Rampe vom handwerklich begabten Nachbarn gebaut. So bleiben die Einnahmen, die hier entstehen, in der Region. Auch bei den Ausflügen macht sich die Nachhaltigkeit der immobilen Menschen bemerkbar. Ausflüge sind mit viel Planung und Aufwand verbunden, wenn man auf irgendeine Art und Weise eingeschränkt ist. Dadurch unternehmen eingeschränkte Personen weniger Ausflüge. Wenn möglich, greift man gerne auf den öffentlichen Nahverkehr zurück oder legt eine größere Strecke problemlos mit dem Elektrorollstuhl zurück.

Barrierefreie Aktivitäten im Urlaub

Die pure Erholung allein reicht vielen Menschen im Urlaub nicht aus. Einige wollen aktiv sein, während andere tiefer in fremde Kulturen eintauchen möchten. Das Freizeitangebot für gehbehinderte Menschen wächst jährlich. Deutschland ist ein tolles Beispiel dafür, vielerlei Möglichkeiten für Menschen mit Handicap zu bieten. Barrierefreie Naturparks, wie z.B. in der Eifel, lassen Naturfreunde auf ihre Kosten kommen. Kunstliebhaber dürfen spannende Ausstellungen in einer der vielen barrierefreien Museen entdecken. Frankfurt am Main ist Vorreiter in Sachen „Museum für alle“. Für etwas mehr Nervenkitzel gibt es dann noch einige Freizeitparks wie z.B. das Legoland, das sich auf die Bedürfnisse eingeschränkter Menschen immer mehr einstellt. Für die Wasserratten lohnt es sich, eine Rundfahrt mit dem Schiff zu erleben. Die schaukelnden Wellen mit dem Geruch des Wassers wirken auf viele Menschen beruhigend. Wie man sieht, gibt es immer mehr spannende Angebote für Menschen im Rollstuhl.

Städtetipps

Berlin

In unserer schönen Hauptstadt gibt es allerhand zu entdecken! Ganz gleich auf welchem Weg man in Berlin ankommt, man kommt immer barrierefrei an. Ein unentgeltlicher Begleitservice der Deutschen Bahn unterstützt Reisende mit Behinderung bei ihrer Ankunft. Jedoch sind auch alle anderen Ankunftsziele in Berlin barrierefrei, wie z.B. der Fernbusbahnhof ZOB oder der Flughafen. Auch mit dem Auto kann man ganz einfach barrierefrei ankommen, zahlreiche Behindertenparkplätze lassen sich in der gesamten Stadt finden. Um sich innerhalb der Stadt frei zu bewegen, sind nahezu alle S-Bahnen, Straßenbahnen und Buslinien barrierefrei und bieten genügend Platz für Rollstühle, Kinderwagen und Rollatoren. Neben zahlreichen barrierefreien Toiletten in der Innenstadt, gibt es sogar einen Pannendienst für Rollstuhlfahrer in Not.

Berlin wirbt mit einigen spannenden Ausflugszielen ohne Barriere. Shoppen mit Rolli lässt es sich prima in einem der vielen großen barrierefreien Einkaufszentren. Wer lieber direkt im Kiez einkaufen geht, wird in Friedrichshain und Kreuzberg einige Geschäfte mit der Auszeichnung „Berlin barrierefrei“ entdecken. Es gibt sogar eine Berliner Marke für bequeme und modische Kleidung extra für Rollstuhlfahrer. Für eine Pause bieten sich vielerlei barrierefreie Restaurants, Cafes und Bars an und im Sommer lassen sich ein paar schöne Stunden in einem der barrierefreien Parks verbringen und für alle, die hoch hinaus wollen empfiehlt sich der Rundflug über Berlin mit dem Helikopter oder mit dem Fesselballon. Ein weiterer Tipp ist das Berliner Aquarium, welches ebenfalls barrierefrei und spannend ist!

Barcelona

In Barcelona nimmt man das Thema mit der Barrierefreiheit sehr ernst, weshalb es immer mehr zu einem der beliebtesten Reiseziele in Europa für Menschen mit Handicap wird. Strenge gesetzliche Auflagen der Stadt sollen Defizite aus der Vergangenheit regulieren. Somit sind die meisten öffentlichen Einrichtungen und Verkehrsmittel gut zugänglich mit dem Rollstuhl. Nach und nach werden auch in den alten Gebäuden Aufzüge und Rampen gebaut. Bei Ankunft mit dem Flugzeug bemerkt ein auf den Rollstuhl angewiesener Mensch recht schnell, dass alle Bereiche einfach zugänglich sind und barrierefreie Toiletten in gutem Zustand überall zur Verfügung stehen. Fast alle Metrostationen, sowie alle Busse sind mit Rampen ausgestattet. Für diejenigen, die lieber nur mit dem Elektrorollstuhl unterwegs sind, hat die Stadt konsequent Bordsteinabsenkungen eingeführt. Um auch den Strand besuchen zu können, gibt es Rampen und rollstuhlgerechte sanitäre Einrichtungen. Etwas ganz Besonderes ist die Fahrt mit der Telefèric de Montjuïc Gondel. Barrierefrei, komplett verglast und eine unverwechselbare Aussicht. Auch in Barcelona gibt es viele barrierefreie Parks wie z.B. den Park Güell, sowie einige komplett barrierefreie Museen wie das Picasso Museum. Etliche Sehenswürdigkeiten sind mit dem Rollstuhl gut zugänglich.

Sydney

Überall in Australien sind Züge, Busse und Fähren mit breiten Gängen und Rampen ausgestattet. Bürgersteige und Geschäfte sind oftmals auch mit Rampen versehen und das Angebot an barrierefreien Toiletten im öffentlichen Raum wächst stetig. Sydney gilt als Stadt mit vielen Steigungen, dies gilt es zu beachten, wenn man auf herkömmliche Verkehrsmittel verzichtet und mit dem Rollstuhl unterwegs ist. Rollstuhlgerechte Buschwanderungen, Seilbahnfahrten und Strandbesuche sind nur einige der Angebote, die immobile Menschen dort nutzen können. Die bekanntesten Orte Sydneys sind natürlich alle leicht zugänglich. Ganz egal ob Great Barrier Reef, die Phillip Island, die Sydney Harbour Bridge oder das Sydney Opera House. Alle beliebten Touristenattraktionen sind auch für Rollstuhlfahrer zugänglich. Die Integration der behinderten Menschen in Australien ist ein Vorbild für viele andere Länder.

Geschrieben von:
Dirk Staudinger

Dirk Staudinger

Redakteur

Dirk Staudinger zeichnet sich durch eine hohe Fachkompetenz und langjährige Erfahrung als Experte für Treppenlifte aus. Neben Treppenliften schreibt er auch über weitere Hilfsmittel für Senioren.

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